Krieg ist keine Option!
Mit der Staatenvereinigung BRICS formiert sich eine Allianz, die das alte Machtgefüge der Welt in Frage stellt. Die auf dem globalisierten Kapitalismus aufgebaute amerikanische Führung bekommt Konkurrenz aus dem zwar autokratisch geführten doch ebenfalls kapitalistischen Osten und Süden. Gleichzeitig sinkt die globale Geburtenrate unter das Erhaltungsniveau von 2,1 Kindern je Frau. Die Sterberate steigt. Wie ist es zu erklären, dass Aufrüstung und Krieg unter diesen Umständen eine Hochkonjunktur erleben?
Der Kapitalismus blüht in China, Indien und Russland. Die Wirtschaft wächst und Amerika, das alles dafür getan hat, sein Wirtschaftssystem in die Welt zu bringen, muss mit ansehen, wie selbst das Wachstum ehemals kommunistischer Staaten, das eigene überflügelt.
Es reagiert darauf verwirrt und unbedacht. Hat scheinbar keine Antwort. Statt dass es die eigenen Werte hochhält und sich vom oligarchischen, autokratischen und staatlich kontrollierten Kapitalismus abgrenzt, nähert es sich ihm an, scheint ihn gar nachzuahmen. Freiheitsrechte werden eingeschränkt, Ideologien politisch instrumentalisiert, Wachstum politisch erzwungen.
Die Erhebung von Zöllen ist da nur ein weiterer Hilferuf, ein Maßnahme, die die Not des Westens widerspiegelt. Zölle richten sich gegen eine freie Wirtschaft, gegen den friedlichen zwischenstaatlichen Handel. Mittelfristig schaden sie demjenigen, der sie verhängt.
Die westlichen Werte, die Freiheit, die Gerechtigkeit, die Demokratie geraten unter die Räder der in Amerika schwachen, in Europa ins Rutschen geratenen Wirtschaft. In Deutschland herrscht gar eine Klimapolitik, mit der von staatlicher Seite versucht wird, dem kränkelnden Kapitalismus mit Hilfe einer erzwungenen Energiewende wieder auf die Beine zu helfen und gleichzeitig die Staatseinnahmen zu erhöhen.
Undenkbar wäre hier eine Reform ala Milei. Er stellt gegenwärtig in Argentinien die Freiheit auf den Thron und baut unter der Maxime: „Jeder Bürger seines Landes habe dieselben Rechte und Pflichten!“ die Bürokratie massiv ab. In Deutschland wächst sie dagegen seit Jahren und mit ihr die Macht des Staates. Zwangsläufig schwindet die Freiheit der Bürger. Für Eigeninitiative, neue Ideen und Kreativität, also das, worauf Deutschlands Wirtschaft gründet, ist das pures Gift.
In dieser politisch verursachten Situation einen Krieg gegen Russland oder China vom Zaum zu brechen, um der Rüstungsindustrie ein staatliches Steuermillliardengeschenk zu machen, passt da gut ins Bild. In Deutschland ist nun natürlich Russland und nicht die Klimapolitik schuld an den hohen Energiepreisen, die die Inflation treiben und die Wirtschaft abwürgen. Wer fasst sich schon gern an die eigene Nase?
Nicht nur Deutschland, sondern dem gesamten Westen fällt als Antwort auf die starke Wirtschaft der BRICS nichts anderes ein als Sanktionen und Krieg. Doch wie soll dieser Krieg aussehen? Wird Amerika wieder Atombomben auf bevölkerungsreiche Großstädte abwerfen um mit dem Massenmord an unschuldigen Zivilisten eine Kapitulation zu erzwingen? Diesmal halt nicht auf Hiroshima und Nagasaki, sondern auf Krasnojarsk und Hangzhou? Wie würde die Reaktion ausfallen?
Russland hat sich vom Zusammenbruch der Sowjetunion erholt und liefert einen Großteil der Bodenschätze für den wirtschaftlichen Aufschwung Chinas und Indiens. Das ist militärisch nicht zu verhindern. Der gegenwärtige Konflikt besteht in der Wachstums-Konkurrenz zwischen dem BRICS-Kapitalismus und dem amerikanisch-europäischen Kapitalismus. Es geht um Ressourcen, Profit und die Vormachtstellung Amerikas.
Der Wachstumszwang ist unserem Wirtschaftssystem immanent. Er ist ausschlaggebend und ursächlich für die modernen Kriege. Längst vorbei sind die Zeiten in denen Krieg für die Ehre, für eine Frau oder Blut und Boden geführt wurden. Es gibt auch keinen Überschuss an zu viel geborenen Söhnen, für die es keine andere Verwendung gibt als den Militärdienst, was der Soziologe Gunnar Heinsohn als primäre Kriegsursache hervorhob.
Ganz im Gegenteil. Die Weltbevölkerung wächst zwar in den kommenden Jahren aufgrund des demografischen Delays weiter, doch fehlt es schon jetzt an jungen Menschen. Unsere Gesellschaften altern. Die der BRICS genauso wie die des Westens.
Folgt die Geburtenrate ihrem Trend, steuern wir auf eine exponentielle Schrumpfung zu. Mit ihr steht die Funktionsfähigkeit unserer Gesellschaftsordnung ebenso wie das Wachstum und der Wachstumszwang zur Disposition. Denn die Anzahl an Konsumenten wird ohne eine Trendwende zukünftig stark sinken.
Statt also einen Krieg vorzubereiten, deren Ursache in naher Zukunft obsolet wird und der unsere letzten Kinder frisst, könnten wir uns vielmehr Gedanken darüber machen, wie wir unsere Gesellschaften neu organisieren können. Wie gehen wir mit dem Bevölkerungsrückgang um? Wer kümmert sich um die vielen Alten? Wer hält das Bildungs-, das Gesundheitssystem und die Infrastruktur aufrecht?
Wer in dieser demografisch kritischen Situation zur Mobilmachung, zur Aufrüstung oder zur Wehrpflicht aufruft, verkennt die Gegenwart. Die jungen Menschen werden dringend gebraucht. Sie in den Krieg zu schicken, verbietet sich von selbst.
Wenn der Westen seine Stellung in der Welt behaupten und sein Ansehen, das selbstverschuldet außerordentlich stark gelitten hat, wiedergewinnen will, kann er das nur, indem er seine freiheitlichen Werte als Gegenentwurf zu den östlichen autokratischen Regimen überdeutlich herausstellt. Er könnte neben Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit die Freiheit - die persönliche und wirtschaftliche, die Freiheit der Wissenschaft, der Medien, die Meinungsfreiheit - an die erste Stelle seiner Politik stellen.
Er könnte aus einer Position selbstbewusster Stärke heraus und in dem Wissen, dass freiheitliche und offenen Gesellschaften gegenüber Diktaturen, Tyranneien und Autokratien immer im Vorteil sind, wieder paktfähig werden, verhandlungsbereit und diplomatisch. Ja, er könnte.
Doch statt sich seiner Wurzeln zu erinnern, driftet er in Angst, Verwirrtheit und Unvernunft auseinander und verspielt sein Ansehen im größeren Rest der Welt. Jeder, so scheint es, versucht sich selbst zu retten. Dabei wäre es für ernsthafte, anständige und weitsichtige Regierungen ein Leichtes, einen eigenen tragfähigen Entwurf, eine Zukunftsperspektive zu präsentieren.
Anstatt nichts zu tun gegen die Gefahr, in Weltkrieg und Nihilismus zu versinken, bedarf es der Besinnung auf humanitäre Werte, die Menschenrechte, die Gleichheit, die Achtung vor dem Anderen, die Achtung vor dem Leben. Es bedarf der Förderung von Freiheit und Kreativität als Voraussetzung für die Entstehung des Neuen, für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Fortschreiten. Es bedarf eines Neuanfangs. Für diesen Neuanfang ist Krieg keine Option.
Tom Reimer
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